Wie hoch ist das Risiko für eine Sinusvenenthrombose bei COVID19-Infektion?

Alle sprechen über das erhöhte Risiko von Sinusvenenthrombosen (SVT) im Rahmen des Vaccine-induced immune thombotic Thrombocytopenia-Syndroms bzw. im Rahmen der COVID19 Impfung von AstraZeneca. Aber wie sieht es eigentlich aus mit Sinusvenenthrombosen bei COVID19 Erkrankung?

Dieser Frage geht das bisher noch nicht in einem Journal publizierte Manuskript von Maxime Taquet und Co nach. Der Titel der Studie lautet “Cerebral venous thrombosis: a retrospective cohort study of 513 284 confirmed COVID-19 cases and a comparison with 489 871 people receiving a COVID-19 mRNA vaccine”.

Worum geht’s?

Zur Untersuchung des Auftretens einer SVT in COVID19-Infektionen wurde ein Electronic Health Records Network genutzt und die Daten retrospektiv analysiert. Die so berechnete Inzidenz wurde mit der aktuell bekannten Inzidenz für SVT in Geimpften mit mRNA-Impfstoff, im Vergleich zur Influenzainfektion und im Vergleich zur AstraZeneca Impfung analysiert. Des Weiteren wurde das Risiko für Portalvenenthrombosen, andere Venenthrombosen und für das Vaccine-induced immune thombotic Thrombocytopenia-Syndrom betrachtet.

Methode:

  • Die elektronisch vorliegenden Daten von 81 Millionen Patient*innen wurden analysiert, hauptsächlich stammen die Patient*innen aus den USA.
  • Die COVID19 Diagnose musste zwischen 20.01.2020 und 25.03.2021 erfolgt sein
  • Die Diagnose Sinusvenenthrombose musste in den folgenden 14 Tagen nach Diagnose von COVID19 eintreten
  • Zwei Kontrollgruppen wurden zum Vergleich analysiert:
    • Patient*innen mit diagnostizierter Influenzainfektion im gleichen Zeitraum
    • Patient*innen mit erster Impfung des mRNA-Impfstoffs von Pfizer/BioNTech oder Moderna

Ergebnisse:

513 284 Patient*innen mit COVID19 Infektion wurden eingeschlossen (54.8% weiblich, Mean [SD] Alter 46.6 [21.4]). Hiervon wurde innerhalb von 14 Tagen nach verifizierter Infektion in 20 Patient*innen die Diagnose Sinusvenenthrombose gestellt (Absolutes Risiko: 39.0 per million people, 95% CI 25.2– 60.2). Die meisten davon (6 SVT) im Alter <30 Jahre.

Das Risiko einer Sinusvenenthrombose war signifikant höher in den 2 Wochen nach COVID19 Diagnose, als nach Influenzainfektion (0.0 per million people, 95% CI 0.0–22.2, adjusted RR=6.73, P=.003, N=172 742) oder nach mRNA Impfung (4.1 per million people, 95% CI 1.1–14.9, adjusted RR=6.36, P<.001, N=489 871).

Das Risiko einer SVT war außerdem höher als das Risiko, welches aktuell für die AstraZeneca Impfung beschrieben wird (aktuell 169 Fälle in 34 Millionen, dementsprechend 5.0 per million people, 95% CI 4.3–5.8); und in der in dem Network analysierten Inzidenz für SVT in allen dokumentierten Patient*innen (0.41 per million people over any 2-week period), oder die historische Inzidenz für SVT in den USA (Range: 13.9 to 20.2 per million per year, or 0.53 to 0.77 per million in any 2-week period).

Diskussion:

  • Die hier berichtete Inzidenz von SVT in COVID19 Infektion ist deutlich höher als in den Vergleichsgruppen
  • Die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu bewerten, da kein Matching für Alter oder andere demografische Faktoren stattgefunden hat
  • Da nicht für alle Patient*innen komplette Labordaten vorliegen, können keine Aussagen getroffen werden, ob die Mechanismen, die zur SVT führen, ähnlich wie die berichteten Mechanismen nach AstraZeneca Impfung sind (Anti-platelet factor 4 Antikörper)
  • Die Daten zum AstraZeneca Impfstoff stammen aus dem EMA Monitoring System, während die hier berichteten Daten aus einem anderen Network stammen und somit schwer zu vergleichen sind

Mein Fazit: Die Daten sind spannend und helfen, die Inzidenz der SVT nach AstraZeneca Impfung in Kontext zu setzen. Es ist beachtlich, wie oft SVT in COVID19 Infektionen auftreten. Durch diese vorläufigen Daten lassen sich die Inzidenzen mit Vorsicht vergleichen, größere Studien und gematchte Studien werden jedoch gebraucht, um genauere Aussagen zu treffen.

Das Paper findet ihr hier: OSF | COVID-CVT-paper.pdf (man muss sich anmelden, kostet aber nichts, und kann im Anschluss das Manuskript als pdf downloaden).

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