What’s up with AKI? – Part 1

Die akute Nierenschädigung (früher: akutes Nierenversagen) ist ein sehr häufiges Krankheitsbild in der Inneren Medizin. In diesem Artikel soll es deshalb darum gehen, die wichtigsten Basics dieses Krankheitsbildes zu kennen (Teil 1), ein strukturiertes Vorgehen bei der Diagnosestellung zu verinnerlichen und die relevantesten Differenzialdiagnosen parat zu haben (Teil 2). Die therapeutischen Ansätze werde ich hingegen nur sehr kurz umreißen, sonst sprengt der Artikel den Rahmen.  Zu besseren Lesbarkeit werde ich im weiteren Text die Abkürzung AKI für „acute kidney injury“ verwenden. 

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Diagnose AKI

Zuallererst gilt es, ein AKI zu erkennen. Studien haben gezeigt, dass im klinischen Alltag ein Großteil aller AKI undiagnostiziert bleiben1,2. Deshalb ist es sinnvoll, sich zunächst Definition und Diagnosekriterien des AKI anzuschauen. 

Definition nach KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcome): Akute, potenziell reversible Verschlechterung der renalen Funktion.

Diagnosekriterien: Anstieg des Serumkreatinins um ≥ 0,3mg/dl (bzw. 26,5µmol/l) innerhalb von 48h oder Anstieg des Serumkreatinins um das 1,5-fache des Baseline-Kreatinins (BL) innerhalb von 7 Tagen oder Urinmenge von < 0,5ml/kg/h über 6 Stunden. Die Diagnosestellung richtet sich also nach dem Kreatininwert und/oder der Diurese als Marker der renalen Funktion. Wollen wir dieses noch weiter nach Schweregrad unterteilen, gilt folgendes3:

StadiumSerumkreatininDiurese
11,5-1,9-facher Anstieg vom BL (innerhalb von 7d) oder Anstieg um ≥ 0,3mg/dl (26,5 µmol/l) in 48h<0,5 ml/kgKG/h für 6–12 h 
22-2,9-facher Anstieg vom BL (innerhalb von 7d)<0,5 ml/kgKG/h für ≥ 12 h 
33-facher Anstieg vom BL (innerhalb von 7d) oder Anstieg auf ≥ 4,0mg/dl (353,6µmol/l) oder Beginn RRT<0,3 ml/kgKG/h für ≥24 h oder Anurie für ≥12 h 

Persönlicher Tipp: Ich merke mir vor allem die Unterscheidung 1,5-1,9-facher, 2-2,9-facher und 3-facher Anstieg. Dann ist nämlich egal, in welcher Einheit wir uns bewegen. 

Was einem hierbei auffallen sollte, ist die Tatsache, dass stets Zeiträume, nicht Zeitpunkte betrachtet werden. Das ist wichtig, um die Diagnose AKI überhaupt richtig zu stellen. Die Betrachtung von nur einem Serumkreatininwert erlaubt demzufolge nicht die Diagnosestellung, da sie nur eine Momentaufnahme zeigt, jedoch keinen Rückschluss auf eine Dynamik zulässt (Ausnahme stellt laut KDIGO ein Serumkreatinin ≥ 4,0 mg/dl bzw. 353,6µmol/l dar, welches ohne Zeitrahmen als AKI Stadium 3 definiert ist). An dieser Stelle möchte ich deshalb betonen, wie wichtig es ist, den Baseline-Kreatininwert als Ausgangs- und Vergleichsparameter zu kennen. Stichwort: Vorwerte in Erfahrung bringen (ambulant betreuende Ärzt*innen anrufen!). Sind keine Vorwerte verfügbar, so empfiehlt die Leitlinie eine Schätzung des Baseline-Kreatinins, sofern sich keine Hinweise auf eine bestehende chronische Nierenschädigung (chronic kidney disease, CKD) ergeben4. Problematisch wird es, wenn eine nicht-diagnostizierte CKD besteht und es entsprechend zu einer falsch-niedrigen Einschätzung des Baseline-Kreatinins kommt, mit der Folge, dass eine unerkannte CKD als AKI fehldiagnostiziert wird. Das verdeutlicht, warum bei einem vermeintlichen AKI immer auch nach Zeichen einer CKD geschaut werden sollte!

Die Patientin in der Rettungsstelle mit einem Serumkreatinin von bspw. 3,5mg/dl hat also nicht per se eine akute Nierenschädigung, sofern sie schon seit Monaten oder Jahren mit dieser zwar schlechten, aber stabilen Nierenfunktion herumläuft. In dem beschriebenen Fall würden wir von einer chronischen Nierenschädigung sprechen. Wichtig ist auch, dass die geschätzte GFR (= estimated GRF, eGFR) für die Diagnosestellung des AKI irrelevant ist. Die entwickelten Formeln für die Berechnung der eGFR ausgehend von einem Kreatininwert korrelieren nur bei chronisch stabilen Werten mit der echten Nierenfunktion. Die eGFR, die im Labor bei einem akuten Nierenversagen angezeigt wird, ist nicht interpretierbar. Spannenderweise gibt es mittlerweile die Möglichkeit, die kinetische GFR (KeGFR) genau für solche Situationen mit sich akut verändernder renalen Funktion – wie beim AKI – zu berechnen5.  Entwickelt wurde die Formel zur Berechnung der KeGFR 2013 von dem amerikanischen Nephrologen Sheldon Chen. Zum Online-Rechner geht es hier

Die Betrachtung der Diurese ist zwar durchaus relevant, im klinischen Alltag jedoch oft schwer umzusetzen (Herausforderung der Quantifizierung der Urinmenge bei inkontinenten oder kognitiv beeinträchtigen Patient*innen). Sie spielt dafür auf der Intensivstation eine umso bedeutendere Rolle. 

Mehr zur Genese des AKI erfahrt ihr in Teil 2!

Dieser Artikel wurde freundlicherweise reviewed durch Prof. Dr. med. Achim Jörres, Chefarzt der Medizinischen Klinik I, Klinik für Nephrologie, Transplantationsmedizin und internistische Intensivmedizin, Kliniken der Stadt Köln.

Quellen:
A. Bihorac et al., Long-term risk of mortality and acute kidney injury during hospitalization after major surgery, Ann Surg, 2009, Pages 851-8
2 L. Yang et al., Acute kidney injury in China: a cross-sectional survey, Lancet, 2015, Pages 1465-71
N. H. Lameire et al., Harmonizing acute and chronic kidney disease definition and classification: report of a Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Consensus Conference, Kidney Int, 2021, Pages 516-526
 4 Kidney Int Suppl (2011), Section 2: AKI Definition. 2012 March
5 Sheldon Chen, Retooling the Creatinine Clearance Equation to Estimate Kinetic GFR when the Plasma Creatinine Is Changing Acutely, JSAN, 2013

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