What’s up with AKI – Part 2

Und weiter geht’s!

Genese

Wenn wir die Diagnose einer akuten Nierenschädigung einmal (richtig) gestellt haben, sollten wir uns mit ihrer Genese befassen. Hier ist die altbekannte Einteilung in

  • Prärenal
  • Postrenal
  • Intrarenal

geläufig und sehr hilfreich. 

Prärenal

Bedeutet, dass es aufgrund einer verminderten Perfusion der Niere zu einer Abnahme der Nierenfunktion kommt (das Problem liegt also „vor“ der Niere). Es handelt sich um die häufigste Genese eines AKI! 

Gründe für eine Minderperfusion können zum einen ein echter Volumenmangel (Hypovolämie) sein also bspw. durch verringerte Flüssigkeitszufuhr, erhöhte Flüssigkeitsverluste wie bei Blutverlust, Erbrechen, Diarrhoe, zu hohe Diuretikadosierung oder aber eine akute Pankreatitis. Auf der anderen Seite kann ein relativer Volumenmangel, also ein geringeres zirkulierendes Blutvolumen wie bei Herzinsuffizienz, Leberinsuffizienz, Schock, Sepsis, Nephrotischem Syndrom eine renale Minderperfusion verursachen. 

Hilfreich zur Evaluation eines prärenalen AKI sind also ein Blick auf Vorerkrankungen, eine fokussierte Anamnese (Erbrechen? Diarrhoen? Unzureichende Flüssigkeitszufuhr bei bestehender Demenz? Usw.) sowie Beurteilung des Volumenstatus. 

Therapie: Richtet sich entsprechend nach der Genese der verminderten Perfusion. Bei Hypovolämie lässt sich durch eine intravenöse Volumentherapie schnell eine Besserung der Nierenfunktion erreichen. Sofern eine Medikation mit Diuretika besteht, sollte diese pausiert bzw. reduziert werden. Blutungen gilt es zu stoppen; bei Erbrechen/Diarrhoe zusätzlich Abklärung der Ursache. In den übrigen Fällen steht die spezifische Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund.

Exkurs: Volumenstatus

Ein scheinbar triviales Thema, das im klinischen Alltag allerdings doch häufig Probleme bereitet. Auf die lapidare Frage „Na ist die Patientin denn trocken?“ um einschätzen zu können, ob ein prärenales AKI (aufgrund einer Hypovolämie) besteht, hört man als Antwort dann „Ähm, also sie hat keine stehenden Hautfalten…“

In der Tat ist die klinische Evaluation des Volumenstatus nicht ganz ohne und eine Studie aus den USA hat gezeigt, dass selbst erfahrende Nephrolog*innen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen1. Zur orientierenden Einschätzung und vor allem, um eine Hypervolämie zu erkennen (wichtig, da beim Nicht-erkennen und weiter forcierter Volumentherapie Lungenödem oder kardiale Dekompensation drohen), können jedoch diese Punkte jedoch hilfreich sein:

  • Klinik: Ödeme? Anasarka? Trockene Achselhöhle? (ja, ich weiß… habe ich auch noch nie nach geschaut)
  • Blutdruck: einzelne RR-Werte können schon hinweisgebend sein, Vorsicht allerdings bei bspw. niedrigen Drücken und Herzinsuffizienz. Besser (vereinfachter) Schellong-Test -> positiver Schellong-Test (RR-Abfallsystolisch >20mmHg, RR-Abfalldiastolisch >10mmHg) spricht für einen Volumenmangel, d.h. orthostatische Dysregulation
  • Labor: Hämatokrit?
  • Sono (falls zur Hand): Ultraschall der Vena Cava (Prall? Atemmoduliert? Kollaptisch?)
  • Falls ohnehin schon erfolgt: Röntgen-Thorax oder andere radiologische Bildgebung mit Nachweis von Pleuraergüssen? Pulmonaler Stauung?

Postrenal

Im Endeffekt nichts anderes als eine Abflussbehinderung des Urins (das Problem liegt „hinter“ der Niere). Hier kann man zwischen angeborenen Fehlbildungen und erworbenen Abflusshindernissen unterscheiden (wobei man sagen muss, dass es beim internistischen Patient*innenklientel eher die Ausnahme sein dürfte, dass angeborene Fehlbildungen neu entdeckt werden…). Das Abflussproblem kann im Nierenbecken (Stein, Papillennekrose), Ureter (Stein, Tumor, retroperitoneale Fibrose) oder Urethra (Tumor, Striktur, BPH) lokalisiert sein.

Aufgrund des gestörten Abflusses kommt es zu einem Aufstau von Urin zurück ins Nierenbecken bzw. den Ureter in unterschiedlich starker Ausprägung (je nach Lage und Größe der Obstruktion).

Die schnellste Einschätzung gelingt mit Hilfe des Ultraschalls. Hier guckt man sich beide Nieren an. Sind Nierenbeckenkelchsystem (NBKS) und Ureter schlank und nicht gestaut, kann man eine postrenale Genese ausschließen. Bei liegendem Katheter kann eine postrenale Genese hingegen nicht als ausgeschlossen betrachtet werden! Postrenale Patient*innen sind nicht zwangsläufig oligo-/anurisch, zudem kann der Stau proximal der Blase lokalisiert sein. Aus diesem Grund, muss immer das NBKS geschallt werden!

Therapie: Anlage eines Dauerkatheters, perspektivisch Beseitigung der Obstruktion bzw. Einlage einer DJ-Schiene oder zuletzt eine perkutane Nephrostomie, falls Beseitigung nicht möglich. Bei BPH zudem Therapie mit bspw.Tamsulosin.

Intrarenal

Beim intrarenalen AKI liegt das Problem in der Niere selbst, es kommt also zur Schädigung der Nephrone. Die Liste an möglichen Ursachen ist sehr lang und führt leider häufig dazu, dass diese Form gewissermaßen eine Blackbox bleibt. Mit einem vereinfachten, systematischen Überblick lässt sich aber auch diese Genese des AKI leicht verstehen und verinnerlichen.

  • Die wichtigste, weil mit Abstand häufigste Form ist die akute Tubulusnekrose (ATN). ATN kann ischämisch oder aber medikamentös-toxisch (bspw. durch NSAR, Aminoglykoside, Cisplatin u.a. Zytostatika) bedingt sein. Nekrose klingt erstmal schlimm, so dramatisch ist das Ganze allerdings nicht, da es nach Pausieren der verantwortlichen Medikamente bzw. Behebung der Ischämie zu einer verhältnismäßig „raschen“ Erholung der Nierenfunktion kommen kann (die Tubulusepithelien benötigen ca. 2 Wochen, um sich zu regenerieren. Natürlich kann es auch mal länger dauern). Es gibt keine darüberhinausgehende spezifische Therapie. Je nach Ausprägung der ATN kann zwischenzeitlich ein Nierenersatzverfahren notwendig werden.
  • Die interstitielle Nephritis (auch tubulo-interstitielle Nephritis) kann ebenfalls medikamentös bedingt sein. Der Mechanismus der Schädigung unterscheidet sich allerdings grundlegend von der ATN! Es kommt hier zur Entzündung der Tubuli bzw. des Interstitiums im Sinne einer allergischen Reaktion. Verursachende Medikamente können NSAR, einige Antibiotika, Allopurinol, PPI sein. Daneben gibt es auch infektiöse Ursachen, etwa durch das Hantavirus (Stichwort Nagetiere als Überträger*innen -> bspw. Hundebesitzer*innen, die häufig im Wald unterwegs sind) oder parainfektiöse Ursachen bei bakteriellen Infektionen mit Streptokokken, Staphylokokken, Legionellen u.a. Erregern. Der sichere Nachweis einer interstitiellen Nephritis gelingt nur mittels Nierenbiopsie. In der klinischen Praxis bleibt es jedoch häufig bei einer Verdachtsdiagnose, da Labor- und Urinveränderungen unspezifisch sind: Anstieg der Retentionsparameter, selten Eosinophilie, IgE-Erhöhung; Leitbefund im Urin sind eine sterile Leukozyturie, genauer Eosinophilurie. Zudem können Hämaturie, Proteinurie, alpha-1-Mikroglobulin nachweisbar sein. 

Therapie: Sowohl bei der ATN als auch der interstitiellen Nephritis steht das Absetzen der verursachenden Medikamente im Vordergrund. Zudem kann eine Therapie mit Glucocorticoiden bei letzterer versucht werden. 

  • Pigment-Nephropathie ist der Überbegriff für eine Reihe von intrarenalen durch Pigmente hervorgerufene Nierenschädigungen: 
    • Rhabdomyolyse mit Myoglobinurie: Anamnese (Liegtrauma? Medikamente?), Labor (CK-, LDH- und Myoglobin-Erhöhung), Myoglobinurie mit Dunkelfärbung des Urins (Diskrepanz zwischen U-Stix und Sediment*)
    • Hämolyse mit Hämoglobinurie: Labor (LDH-, Kalium-, Bilirubin-Erhöhung, Haptoglobinverbrauch), Hämoglobinurie mit Rotfärbung des Urins (Diskrepanz zwischen U-Stix und Sediment*)
    • Myelomniere: beim multiplen Myelom kann es zum Ausfall von Leichtketten in den Tubuli kommen, die diese dann obstruieren. B-Symptomatik, Labor (Panzytopenie, freie LK, Immunfixation, weitere unspezifischere Laborveränderungen möglich), Nachweis von LK im Urin, Knochenmarkspunktion
    • Therapie: Bei den Pigment-Nephropathien steht jeweils die Behandlung der Grunderkrankung und bei der Rhabdomyolyse zudem eine intensivierte Volumentherapie im Vordergrund. 
      * Myoglobin und Hämoglobin werden vom U-Stix als „Erythrozyten“ erkannt
  • Makrovaskuläre Ursachen eines intrarenalen AKI können eine Nierenarterienstenose, Nierenvenenthrombose, Niereninfarkte oder Aortendissektion sein. Diese lassen sich in der Regel mit radiologischer Bildgebung (bspw. Sono, KM-Sono, CT) nachweisen.
  • Mikrovaskuläre Ursachen umfassen neben Cholesterinembolien v.a. Thrombotische Mikroangiopathien (TMA). Da letztere zwar insgesamt seltene, jedoch sehr ernstzunehmende und lebensbedrohliche Krankheitsbilder sind, werde ich diese in einem separaten Artikel ausführlicher beleuchten. Hier nenne ich deshalb nur die klinischen bzw. laborchemischen red flags, auf die es zu achten gilt:
    • Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC): Thrombopenie (!), Fibrinogen- und Antithrombin-III-Abfall, verlängerter aPTT, INR-Erhöhung, später: Anstieg der D-Dimere, da es zu einer verstärkten Fibrinolyse kommt. Cave: kann auch im Rahmen einer Rhabdomyolyse auftreten!
    • Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura: neurolog. Symptome, AKI, Purpura, Petechien, u.a. Laborchemisch: Thrombopenie, Anämie mit Fragmentozyten im Blutausstrich, erhöhte Hämolyseparameter (Bilirubin, LDH, Kalium), bei Nierenbeteiligung Anstieg der Retentionsparameter (Kreatinin, Harnstoff, ggf. Kalium), INR, aPTT, Fibrinogen und D-Dimere sind hingegen normwertig! Die ADAMTS13-Aktivität bzw. -Antikörper lassen sich mit speziellen Tests messen (meist jedoch aufwändige Messung in Speziallabors, ein Schnelltest ist verfügbar). 
    • Hämolytisch-urämisches Syndrom: Thrombopenie, hämolytische Anämie (s. oben), AKI mit Urämie; Unterscheidung zwischen typischem HUS (auch STEC-HUS), welches postinfektiös auftritt und atypischem HUS (aHUS), welchem eine Komplementerkrankung zu Grunde liegt.
  • Glomuerulonephritiden (GN): immunvermittelte Entzündung der Glomeruli (abakteriell!).  Sie können als primäre GN oder aber sekundär in Folge einer Systemerkrankung (Kollagenose, Vaskulitis,) auftreten. Je nach Art der GN kann sich ein nephritisches (Mikrohämaturie, geringe Proteinurie) oder ein nephrotisches Urinsediment (meist keine Hämaturie, ausgeprägte Proteinurie, normale Nierenfunktion) präsentieren. Wichtiges Merkmal sind zudem dysmorphe Erythrozyten im Sediment, sogenannte Akanthozyten (Mickey-Mouse-artige Ausstülpungen als Hinweis auf die glomeruläre Genese der Erythrozyten). Auch Erythrozytenzylinder können sich als Hinweis auf eine GN im Sediment finden. 
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Nicht vergessen sollte man außerdem, potenziell nephrotoxische Medikamente oder solche, die die renale Perfusion reduzieren, zu pausieren! (Es gilt natürlich letztlich im Einzelfall zu entscheiden, welche Medikamente abgesetzt werden müssen und welche nicht). Einige mögliche Beispiele sind hier aufgeführt: Sartane, ACE-Hemmer, Spironolacton, Allopurinol, NSAR, einige Virostatika, Amphotericin B, Aminoglykoside,…

Für Diuretika gibt es keine Universalempfehlung! Hier entscheidet die Genese des AKI über Fortführung bzw. Intensivierung der Therapie (bei Hypervolämie) oder Pausieren/Absetzen (Hypovolämie).

Gut zu wissen: Als Grundlage für die Berechnung der GFR dient uns in aller Regel das Serumkreatinin (geläufig sind die MDRD-Formel oder CKD-EPI-Formel). Das Serumkreatinin ist allerdings abhängig von der Muskelmasse. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man sich die vom Labor ausgeworfene GFR bei einer sarkopenen älteren Dame anschaut oder aber die GFR einer jungen Bodybuilderin. Bei ersterer mag die GFR möglicherweise deutlich überschätzt, bei letzterer unterschätzt sein. In einem solchen Fall wird die endogene Kreatininclearance als Goldstandard empfohlen.

Gut zu wissen: Cotrimoxazol kann zwar – wie andere Antibiotika auch – eine akute interstitielle Nephritis verursachen. Dass es für gewöhnlich zu einem Kreatininanstieg bei Therapiebeginn mit Cotrim kommt hat aber andere Gründe: Cotrim führt zu einer verminderten tubulären Sekretion von Kreatinin (ohne Einfluss auf die GFR!) -> das Serumkreatinin steigt an! 

Dieser Artikel wurde freundlicherweise reviewed durch Prof. Dr. med. Achim Jörres, Chefarzt der Medizinischen Klinik I, Klinik für Nephrologie, Transplantationsmedizin und internistische Intensivmedizin, Kliniken der Stadt Köln.

Quellen:
S. McGee et al., The rational clinical examination. Is this patient hypovolemic? JAMA, 1999, Pages 1022-9

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