Wenn das Wasser bis zum Hals steht… Management der hydropischen Dekompensation

Die hydropische dekompensierte Herzinsuffizienz ist ein häufiger Grund für die Vorstellung von Patient*innen in der Notaufnahme und begegnet uns dementsprechend auf jeder internistischen Station. Die Diuretikatherapie ist hier die Essenz der Therapie.

Aber wieso kommt es zur Volumenexpansion und wie geht man am besten vor?

Bei der chronische Herzinsuffizienz kommt es durch die Abnahme des Herzzeitvolumens unter anderem zur verminderten renalen Perfusion. Dies führt zur Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS). Natrium wird vermehrt rückresorbiert und dementsprechend steigt das Plasmavolumen. Kommt es zum Natriumexzess, entsteht eine deutliche Volumenexpansion. Auf kardialer Ebene steigt der linksventrikuläre enddiastolische Druck (LVEDP). Einfacher formuliert, hat sich also so viel Flüssigkeit angesammelt, dass der Druck in der Füllungsphase des Herzens steigt und das Herz dadurch dekompensiert. Wir haben also eine*n Patient*in mit zu viel extrazellulärem Volumen (Salz + Wasser) an Bord.

Wie finde ich heraus, ob mein*e Patient*in volumenüberladen ist?

Zu Anfang steht, wie immer, die gründliche Anamnese. Folgende Fragen gehören immer dazu:

-Wieviel wiegen sie aktuell? Wie hat sich ihr Gewicht verändert? In welchem Zeitraum?

-Können Sie flach liegen? Schlafen Sie nur noch mit hochgelagertem Oberkörper/ mehreren Kissen?

-Wie viel Urin lassen Sie täglich? Wie häufig müssen Sie nachts wasserlassen?  Hat sich die Urinmenge verändert?

Laut Kardiolog*innen ist der Goldstandard zur Bestimmung des intravaskulären Drucks der (Rechts)Herzkatheter mit Druckbestimmung im rechten Vorhof und der A. pulmonalis Katheter zur Bestimmung des „pulmonary capillary wedge pressure“ (PCWP) als Maß für den Druck im linken Vorhof und den LVEDP. Das hilft uns in der Akutsituation, wenn wir alleine vor der/dem Patient*in stehen gar nicht weiter. Die Bestimmung des Jugularvenenpuls hat in Studien zur Volumenüberladungsbestimmung am besten abgeschnitten, da sie am besten mit den linksventrikulären Drücken korrelieren. Die beidseitigen Unterschenkelödeme schneiden auch nicht so schlecht ab, aber wir sollten natürlich immer daran denken, dass es auch viele andere Ursachen für Unterschenkelödeme gibt.

Nach der körperlichen Untersuchung ist der Reflex oft als nächstes ein Röntgen Thorax. Aber Achtung, in einer Studie haben 20% der hydropische dekompensierten Patienten keine Stauungszeichen im Röntgen gezeigt!1 Die Lungensonografie schneidet hier deutlich besser ab- B-Linien durch Flüssigkeit im Interstitium lassen sich technisch einfach nachweisen, also einfach mal den Ultraschallkopf draufhalten. (Diagnose: mehr als 3 B-Linien in zwei Interkostalräumen). Wenn wir schon bei Ultraschall sind: im Echo lassen sich die Füllungsdrücke und die Geschwindigkeiten in der Füllungsphase des Herzens bestimmen. Das ist aber schon ziemlich herausfordernd. Daher lieber noch schnell einen Blick auf die Vena Cava werfen- das gelingt eigentlich immer. Wie weit ist die VCI und ist sie atemkollaptisch? Laborchemisch solltest du das NTproBNP bestimmen. Bei Normalwerten ist eine hydropische Dekompensation sehr unwahrscheinlich.

Die Therapie: Diuretika!

Wir haben die Salz- und damit einhergehende Volumenüberladung in unsere*r Patient*in festgestellt und schreiten zur Therapie. Salz und Wasser werden wir durch Erhöhung der Natriurese der Niere los. Das Rückgrat der Therapie bilden die Schleifendiuretika. Bedenke immer, dass sie proteingebunden transportiert werden und um an den Wirkort zu gelangen im proximalen Tubulus sezerniert werden müssen. Daher spielen die Plasmaproteinkonzentration und die Nierenfunktion eine bedeutende Rolle für den Therapieerfolg. Schleifendiuretika hemmen den Na-K-2Cl-Kotransporter im aufsteigenden Ast der Henle Schleife. Die enterale Aufnahme von Furosemid ist sehr variabel (Achtung: ein mögliches Darmwandödem hindert die enterale Aufnahme), Torasemid hat hingegen eine relativ konstante orale Bioverfügbarkeit von 80-90% und eine längere Wirkdauer. Studien zum Vergleich der Präparate im Hinblick auf harte Endpunkte laufen momentan. Zur groben Umrechnung kann man sich merken, dass 40mg Furosemid 10-20mg Torasemid entsprechen.

Hier ein Video als kurze Erklärung zum tubuloglomerulären Feedback:

Glomerular Filtration: Tubuloglomerular Feedback – YouTube

In der hydropischen Dekompensation starten wir mit einer i.v.-Schleifendiuretikatherapie.

Welche Dosis?

  • Starte bei Patient*innen ohne vorherige Diuretikatherapie mit 40mg Furosemid i.v.
  • Starte bei Patient*innen, die bereits Diuretika erhalten mit der 2,5-fachen Heimdosis (die DOSE-HF Studie hat hier im Hinblick auf sekundäre Endpunkte Vorteile gezeigt)
  • Bedenke, dass bei Nierenfunktionseinschränkung auch ohne vorherige Diuretikatherapie eine höhere Startdosis notwendig sein kann
  • 400-600mg Furosemid sind die Maximaldosis, höhere Dosen zeigen keine Wirkungssteigerung mehr

Je früher du mit der Therapie startest, desto besser scheint das Überleben der Patient*innen zu sein, daher halte die „Door to Diuretics Time“ kurz. Bezüglich Bolusgaben und Perfusor scheiden sich die Geister. Falls du dich für den Perfusor entscheidest, denke an die initiale Bolusgabe um die Wirkungsschwelle zu erreichen.

Die Kontrolle des Therapieansprechens erfolgt durch Bilanzierung und tägliches Wiegen. Da dies bei manchen Patient*innen schwer umsetzbar ist, kommt der Urin-Natriumbestimmung eine immer größere Rolle zu, denn wir wollen mit unserer diuretischen Therapie Natrium und damit Wasser über die Nieren loswerden. Die Urinnatriumbestimmung zum Therapiemonitoring klappt aber meist nur zu Beginn der Therapie gut. Zu Beginn der Therapie, z.B. bei der akut dekompensierten Patientin in der Rettungsstelle, solltest du bereits nach 6 Stunden (Lasix= Lasts six hours) reevaluieren, ob deine Diuretikadosis ausreichend ist. Hier ist der Blick auf die Urinausscheidung dein Schlüssel zur Bewertung. Alternativ kannst du bereits nach 2 Stunden eine Urinprobe zur Urinnatriumbestimmung wegschicken.

Dein*e Patient*in zeigte keine ausreichende Response? Dann verdopple die Diuretika-Dosis und denke über eine sequenzielle Nephronblockade nach.

Was war das nochmal und wie geht das? Nimm zur Therapie ein Thiazid/Thiazid-ähnliches Diuretikum hinzu. Dadurch, dass wir mit Furosemid den Na-K-2Cl-Kotransporter im aufsteigenden Ast der Henle Schleife hemmen, kommt es zu einer kompensatorisch gesteigerten Natriumresorption weiter distal im Tubulus, dies blockieren wir mit einem Thiazid/Thiazid-ähnlichen Diuretikum.

Und wann sollte ich meine Dosis einen Gang zurückschalten? Hierfür gibt es keinen genauen Cutoff-Wert. Auch wenn dein*e Patient*in >3l Urin am Tag ausscheidet, der Blutdruck und die Nierenfunktion stabil sind und es keine anderen Anzeichen für Komplikationen gibt, kannst du die Therapiedosis fortführen.

Die Diuretikadosis zur Entlassung sollte der niedrigsten Dosis entsprechen, mit der das Zielgewicht konstant gehalten werden kann.

Alternative Diuretika?

Mineralokortikoidrezeptorantagonisten (zB Spironolacton) gehören zur Therapie bei HFrEF und sollten hier auch eingesetzt werden, eine besondere Rolle in der Therapie der hydropischen Dekompensation spielen sie nicht. Bedenke die regelmäßige Kaliumkontrolle.

Eine neue Idee ist die Kombination der Diuretikatherapie mit Acetazolamid (Carboanhydrasehemmer). Der größte Teil der Natriumresorption findet im proximalen Tubulus statt. Die Theorie hierbei ist, die Natriumresorption hier zusätzlich zu hemmen. Dadurch würde auch die oben beschriebene Reninfreisetzung, wie sie in der Schleifendiuretikatherapie stattfindet, gehemmt (Mehr Chloridaufnahme in den Zellen der Macula densa, mehr Calciumfreisetzung, mehr Hemmung der Reninausschüttung, siehe oben). Studien, ob eine Kombination der diuretischen Therapie mit Acetazolamid in der hydropischen Dekompensation von Vorteil ist, laufen momentan. Ähnliche Effekte treten bei SGLT-2 Inhibitoren auf. Wir sind gespannt!

Wann brauche ich eine extrakorporale Ultrafiltration?

Mittels Ultrafiltration wird Natrium und Wasser über eine semipermeable Membran dem Körper maschinell entzogen. Dies ist die Ultima Ratio, wenn alle anderen Bemühungen mittels diuretischer Therapie nicht erfolgreich waren.

Therapieziel: wie finde ich heraus, ob mein*e Patient*in euvoläm ist?

Die Bestimmung, ob die/der Patient*in zum Entlassungszeitpunkt euvoläm ist und dementsprechend, ob das Therapieziel erreicht wurde, ist essenziel, um das Therapieende zu bestimmen und um eine erneute schnelle Dekompensation zur verhindern. Dass die/der Patient*in keine Luftnot oder keine Ödeme mehr hat, reichen als Therapiemonitoring nicht aus. Theoretisch streben wir den Zustand an, indem der Volumenhaushalt so ausgeglichen ist, dass das Herz adäquat funktioniert, um den Stoffwechsel optimal aufrecht zu erhalten, ohne überschüssiges interstitielles Volumen und erhöhte kardiale Füllungsdrücke und -volumina. Ein Biomarker hierfür wäre von großem Vorteil. Allerdings hat sich NTproBNP, was ja als Kandidat hierfür scheint, in klinischen Studien nicht als Marker gezeigt, der das Outcome verbessert. Andere interpretieren einen Kreatininanstieg als Zeichen für eine Reduktion des zirkulierenden Volumens. Dies sollte aber nicht automatisch als Kausalzusammenhang gesehen werden und insb., wenn die/der Patient*in weiterhin volumenüberladen erscheint nicht zum Therapieende führen. Es gibt viele Gründe für den Kreatininanstieg der/des Patinient*in, zum Beispiel eine Verdünnung des Kreatinins in der vorherigen Bestimmung durch Volumenüberladung und nun zeigt das Labor den „wahren“ Kreatininwert. Jegliche nicht volumenbedingte Ursachen für ein Nierenversagen kommen ebenfalls in Frage.

Auch hier ist es wie in der initialen Evaluation: Das Gesamtbild der/der Patient*in ergibt das beste Ergebnis.

Elektrolytstörungen unter Diuretikatherapie

In der beschriebenen Patientengruppe gibt es einige Gründe für Elektrolytstörungen – die neurohumorale Aktivierung im Rahmen der Herzinsuffizienz, Nierenfunktionseinschränkungen und iatrogen durch unsere Diuretikatherapie. Meist sind Natrium und/oder Kalium betroffen.

Am häufigsten (bei ca ¼ der Patient*innen!) werdet ihr die Hyponatriämie unter Diuretikatherapie sehen (Natrium <135 mmol/l). Prinzipiell solltet ihr in der Differentialdiagnostik immer so vorgehen, wie generell bei Hyponatriämie empfohlen. Bei manchen Patient*innen ist die Hyponatriämie durch die ADH-Freisetzung im Rahmen des reduzierten effektiven Blutvolumens bei Herzinsuffizienz bedingt. Diuretika-bedingte Hyponatriämien sind so gut wie nie auf Schleifendiuretika zurückzuführen, sondern auf Thiazide. Die Thiazide wirken im distalen Tubulus am Natrium-Chlorid-Kotransporter im Konvoluttubulus. Normalerweise wird der Urin durch die NaCl-Resorption an dieser Stelle „verdünnt“. Durch Blockierung des Transporters wird also die Stellschraube der Niere blockiert, die es möglich macht, freies Wasser auszuscheiden (kurze Erinnerung- Hyponatriämie bedeutet zu viel Wasser, die NatriumKONZENTRATION ist niedrig =verdünnt, die/der Patient*in muss freies Wasser loswerden, um wieder eine Natriumkonzentration vom um die 140 mmol/l zu erreichen).

Hypokaliämie entsteht durch das erhöhte Natriumangebot im Sammelrohr. Dies begünstigt hier die Kaliumsekretion (Natrium gegen Kalium und Sekretion von Wasserstoffionen). Zudem erhöht die RAAS-Aktivierung die Kaliumausscheidung. Bei Hypokaliämie kann frühzeitig ein Mineralokortiokoidrezeptorantagonist (z.B Spironolacton) hinzugenommen werden.

Hyperkaliämie entsteht meist durch eine Nierenfunktionseinschränkung und Therapie mit ACE-Hemmer/Sartan. Bei schwerer Hyperkaliämie solltest du umgehend Sofortmaßnahmen einleiten, ansonsten zunächst Pausierung der RAAS-Blockade und erneute Kontrollen. Der Grenzwert, bei dem erhöhte Kaliumwerte kausal zu einer erhöhten Mortalität sind nicht bekannt.

Die hier beschriebenen Herangehensweisen sind basierend auf aktuellen Leitlinien zu dem Thema, dem aktuellsten Position Paper2 aus dem European Journal of heart Failure, Expert*innenmeinungen und unseren klinischen Erfahrungen.

Dieser Artikel wurde reviewt von Prof. Dr. med. Ralph Kettritz, FASN, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistische Intensivmedizin Charité – Universitätsmedizin Berlin und Experimental and Clinical Research Center, Charité und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC).

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1.        Collins, S. P., Lindsell, C. J., Storrow, A. B. & Abraham, W. T. Prevalence of negative chest radiography results in the emergency department patient with decompensated heart failure. Ann. Emerg. Med. (2006) doi:10.1016/j.annemergmed.2005.04.003.

2.        Mullens, W. et al. The use of diuretics in heart failure with congestion — a position statement from the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology. Eur. J. Heart Fail. (2019) doi:10.1002/ejhf.1369.

4 Comments

  1. Toller Artikel, habe sehr viel gelernt!! Werde dann wohl mal das Urin-Natrium bestimmen 😉

    Kleiner Hinweis zur Frage “ist mein Patient noch hypervoläm?”: Hier könnte der VEXUS-Score ein interessanter Ansatz sein (siehe z.B. https://www.pocus101.com/vexus-ultrasound-score-fluid-overload-and-venous-congestion-assessment). Insbesondere die Pulsatilität der Pfortader finde ich immer wieder beeindruckend bei hydropisch dekompensierten Patienten – VCI hilft hier wenig..

    1. Stimme ich dir völlig zu! Mache den VEXUS auch routinemäßig bei jeder Aufnahme :). Modifiziert aber letztlich auch nur die Vortestwahrscheinlichkeit. Ist letztlich auch nur ein Puzzlestein und sollte man nicht überinterpretieren.

  2. Stimme zu. In der Klinik nutze ich VExUS viel und man ist quasi bei der Dekongestion “live” dabei.

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